Nadja lebt!
 
Die blühende Dornenkrone, die uns Pater Barnabas am Karfreitag brachte, lebt in unserer Familie, und die Rose blüht von Tag zu Tag schöner. Dem Kind, das damals verloren geglaubt war, geht es gut, es wird von Tag zu Tag größer und kräftiger. Ich kam am 2.  4. 1996 mit einem fünfmarkstückgroß geöffneten Muttermund und einer vorgefallenen Fruchtblase in die Klinik. Da ich in der 21. Schwangerschaftswoche war und auch wegen einer zusätzlichen Infektion keine Cerclage durchgeführt werden  konnte, eröffneten uns die Ärzte am Karfreitag, dass das Baby nicht zu retten wäre und sie einen Spätabort nicht verhindern könnten. Es war für uns eine niederschmetternde Nachricht, denn wir hatten uns sehr auf unser Wunschkind gefreut - es bedeutete sehr viel für uns. Gleichzeitig war es entsetzlich, für dieses Kind, das wahrscheinlich gesund war, nicht das geringste tun zu können. Käme es jetzt zur Welt, würde es sterben.
 
Wir waren verzweifelt und baten den Krankenhausseelsorger Pater Barnabas um Rat und Trost.
Wie sollten wir mit dieser Diagnose fertig werden und auch mit dem Warten, das damit verbunden war? Warum sollte uns auch dieses Kind (es wäre der zweite Abort) genommen werden?

Pater Barnabas kam zu uns und brachte uns eine blühende Dornenkrone mit. Im ersten Moment schien es uns fast wie Hohn - wir sahen nur die Dornen. Wir wollten Informationen über Nottaufe und Bestattung des Kindes und eine Antwort auf die Frage, warum uns das passiere. Wir wollten wissen, wie wir das Baby im religiösen Sinn auf das Sterben vorbereiten konnten.

 
Pater Barnabas machte uns Hoffnung, wies uns darauf hin, dass es dem Kind gut gehe.
Er versuchte, unseren Blick auf die Rosen zu lenken, die so prächtig blühten. Wir konnten jedoch noch nicht an Hoffnung glauben, verabschiedeten uns von dem Baby, das oft so lebhaft strampelte und versuchten, soviel Zeit wie möglich nur ihm zu widmen. Wir versuchten, es Gott zurückzugeben, empfahlen es ihm jeden Tag im Gebet, in der Krankenkommunion und in regelmäßigen Besuchen der Gottesdienste in der Kapelle.

Ich blieb aber weiterhin streng liegen, ließ mich im Bett zur Kirche fahren. Als wir erfuhren, dass das Kind ein Mädchen war, gaben wir ihr den Namen Nadja - Hoffnung.

 
An einem Mittwoch setzten die Ärzte die wehenhemmenden Medikamente ab, da sie weiterhin keine Chance sahen und begannen die Behandlung der Vaginalinfektion mit starkem Antibiotika. Ich sollte wieder aufstehen, zumindest zum Waschen und auf die Toilette. Es tat unglaublich weh, ständig auf die Fehlgeburt zu warten, auf die der Kreißsaal bereits vorbereitet war. Stunden der Verzweiflung, in denen uns Pater Barnabas immer wieder die Blüten vor Augen führte.

Er bot uns an, die Krankensalbung in einer etwas abgewandelten Form zu spenden, da ich zwar gesund war, das Kind jedoch in Lebensgefahr schwebte. Es war eine schmerzhafte aber auch wunderbare Erfahrung, denn wir lernten langsam, das Wort "Dein Wille geschehe" zu begreifen.

 
Es geschah nichts - das Baby blieb, und als die gesamte Ärzteschaft nicht fassen konnte, dass der Blasensprung ausblieb, begann bei uns die Hoffnung zu keimen. Ich hielt weiterhin Bettruhe ein, mein Mann verbrachte den ganzen Tag im Krankenhaus. Wir beschäftigten uns intensiv mit dem Kind und beteten um ein Wunder. Die ganze Familie, viele Freunde und Bekannte und auch Schwestern und andere Kranke aus der Klinik beteten ebenfalls für uns. Es entstand eine unglaubliche Solidarität, die uns half, diese schwere Zeit von Hoffen und Bangen durchzustehen.
 
Und das Wunder geschah: die Infektion wurde besiegt, und nach sechs langen Wochen rutschte die Fruchtblase langsam in den Gebärmutterhals zurück, der Muttermund schloss sich und das Kind entwickelte sich prächtig. Ab der 26. Woche gaben die Ärzte mir Medikamente für die Lungenreifung des Kindes. In der 31. Schwangerschaftswoche - neuneinhalb Wochen nach der niederschmetternden Diagnose - kam es dann zum Blasensprung, und Nadja wurde an einem Sonntag mit einem Kaiserschnitt auf die Welt geholt.
 
Sie ist ein wunderschönes kleines Mädchen, atmete von Anfang an selbständig und entwickelt sich sehr gut. Die ersten sechseinhalb Wochen verbrachte sie in der Kinderklinik, doch nun ist sie zuhause und ich kann sie sogar noch stillen. Sie ist ein liebes, sehr zufriedenes Kind. Für uns ist es ein Wunder, unsere kleine Nadja im Arm zu halten, die kleine Rose, deren Dornen, so schmerzhaft sie auch waren, wir fast schon vergessen haben.
 
Text von einer Patientin.
 

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